53. Grimme-Preis 2017

Dead Man Working (HR/ARD Degeto)

Grimme-Preis an

Marc Bauder (Regie)

Dörte Franke (Buch)

Khyana el Bitar (Buch)

Börres Weiffenbach (Kamera)

Wolfram Koch (Darsteller)

Benjamin Lillie (Darsteller)

Produktion: HR/ARD Degeto

Erstausstrahlung: Mi, 02.11.2016, 20.15 Uhr, DasErste

Sendelänge: 87 Minuten

Stab

Buch: Dörte Franke, Khyana el Bitar

Regie: Marc Bauder

Kamera: Börres Weiffenbach

Schnitt: Stefan Blau 

Ton: Peter Senkel

Darsteller: Wolfram Koch, Benjamin Lillie, Jördis Triebel, Manfred Zapatka, Jenny Schily, Bernhard Schütz u.v.a.

Redaktion: Jörg Himstedt (HR), Liane Jessen (HR), Christine Strobl (ARD Degeto)

Inhalt

Eigentlich hätte der Investmentbanker Jochen Walther, der gerade erfolgreich einen milliardenschweren Deal für die „Bank der Deutschen“ abgeschlossen hat, allen Grund zum Feiern. Doch während seine Mitarbeiter im Club die Sau rauslassen, steigt er auf das Dach der Bank und springt hinunter. Seine Frau macht dem Vorstand schwere Vorwürfe, er habe ihren Mann in den Tod getrieben; der Vorstandsvorsitzende wiederum deutet vor der Presse an, der Manager habe familiäre Probleme gehabt. Der junge Finanzmathematiker Tom Slezak, für den Walther eine Art Vaterfigur war, will wissen, was seinen Mentor tatsächlich in den Tod getrieben hat – und er findet heraus, dass der Deal, an dem er selbst auch mitgearbeitet hat, die Bank ruinieren wird.

Begründung der Jury

Cool, kühl bis ins Mark, ist die Welt der „Bank der Deutschen“, in Blau- und Grautönen gehalten von Kameramann Börres Weiffenbach, kühl sind die repräsentativen Büros, in denen kaum ein Bild oder ein persönliches Accessoire auf menschliches Leben hinweist. Kühl und schneidend bis zum Zynismus ist auch der Umgang der Mitarbeiter untereinander und mit dem Service-Personal in der Welt da draußen. Glatt und hohl sind die Formeln der Compliance-Beauftragten Frau Sonnebach, die das Image der „Bank der Deutschen“ aufpolieren soll.

Marc Bauder (Regie), Dörte Franke, Khyana el Bitar (beide Buch) und Börres Weiffenbach (Kamera) haben mit „Dead Man Working“ einen Film geschaffen, der in vielerlei Hinsicht atemberaubend ist. Sie erzählen von der Welt der Hochfinanz, die so wenig greifbar ist, von Milliardensummen, die kaum vorstellbar sind, von Glaspalästen, die von Menschen ohne Eigenschaften bewohnt werden, von Finanzjongleuren, die sich aufschwingen, die Welt zu beherrschen. So abstrakt diese Welt wirkt, so konkret sind die Auswirkungen dessen, was die Arbeitsbienen in den Glastürmen tun, auf das Leben vieler anderer.

Der junge Assistent Tom Slezak (Benjamin Lillie) passt gut hinein in diese Welt der Zahlenreihen, die er wie Zauberformeln an eine Glaswand schreibt. Auch er ist ein Mann ohne Eigenschaften, außerhalb der Bank hat er kein Zuhause, es gibt niemanden, der auf ihn wartet. Dieser vater- und mutterlose Sohn hat in Jochen Walther (Wolfram Koch) einen Mentor gefunden, der ihm beibringt, worauf es in dieser Welt ankommt: dem Gesetz des Geldes zu gehorchen.

 „Dead Man Working“ ist ein Märchen, eine Sage aus der Welt der Hochfinanz, eine Parabel aus der modernen Arbeitswelt: Es geht um Titanenkämpfe und Menschenopfer. Kühl bis ins Mark nähern sich Marc Bauder, Dörte Franke und Khyana el Bitar dieser Welt. Und ebenso kühl verkörpern Benjamin Lillie und Wolfram Koch die beiden Spielertypen, die viel riskieren, aber wenig gewinnen. Sie spielen nicht, sie unterspielen, sie sind im Flow.  Sie eignen sich nicht als Identifikationsfiguren. Hier wird nichts „runtergebrochen“, beschönigt oder gar erklärt und dennoch ist dieser Film durch und durch aufklärerisch. 

„Dead Man Working“ ist in jeder Hinsicht ein Ausnahmefilm: Er ist politisch in seiner Aussage, psychologisch fein beobachtet, rasant im Rhythmus und visuell radikal. 

Ein kühner Film, der sich über die üblichen Erzählkonventionen hinwegsetzt, genau hinschaut und zugleich mitreißend erzählt. Ein wichtiger und hochgradig aktueller Film über eine Parallelgesellschaft, die meint, sie könne die Welt beherrschen und sich mit ihren eigenen Gesetzen längst außerhalb des Staates gestellt hat.  

 
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