(btf/UnterhaltungsFlotte TV für WDR)
Grimme-Preis an
Claudius Pläging (Buch)
Carolin Kebekus (Moderation/Produktion)
Jessica Timm (Redaktionsleitung)
Max Bierhals (Creative Producer/Autor)
Erstausstrahlung/-veröffentlichung:
Das Erste, Donnerstag, 04.06.2020, 23.00 Uhr
Lauflänge: 43 Min.
Inhalt
Die erste Welle der Coronavirus-Pandemie war gerade abgeklungen, da meldete sich Carolin Kebekus im Mai 2020 mit einer neuen Personalityshow auf einem Spätabend-Sendeplatz im Ersten zurück – um Haltung zu zeigen und ihren ganz eigenen Blick auf die Welt zu präsentieren, wie der WDR im Vorfeld der Ausstrahlung ankündigte. „Persönlicher, bissiger und aktueller denn je“, so lautete das Versprechen für die Sendung, die das langjährige Kebekus-Format „PussyTerror TV“ ablöste und sich am vertrauten Konzept klassischer Late-Night-Shows orientierte, sprich: ein Stand-up zu aktuellen Themen gleich am Anfang, danach Einspieler, Musik, Sketche und prominente Gäste, die Kebekus in Köln-Ehrenfeld, genauer gesagt im Studio der bildundtonfabrik, in Empfang nahm. Insgesamt acht Folgen und ein Best-Of umfasste die erste Staffel, die mit einer vollmundigen Ankündigung der Gastgeberin einherging: „Das wird die beste Show ever – und zwar mit Abstand“, so Kebekus über das neue Comedy-Format, bei dem die Komikerin erstmals selbst als Produzentin in Erscheinung trat.
Begründung der Jury
Haltung zeigen – das wollen viele, die im Fernsehen auftreten, doch nur wenigen gelingt das vor der Kamera so gut wie Carolin Kebekus. In ihrer neuen Late-Night-Show, die ihren Namen trägt, ist die Kölner Komikerin besser als jemals zuvor. Vielleicht liegt es an der besonderen Konstellation hinter den Kulissen: Dass Kebekus ihre Show mittlerweile selbst produziert und sie sich dafür mit der Late-Night-erprobten btf zusammengetan hat, scheint den persönlichen Ehrgeiz, eine gelungene Comedysendung abzuliefern, noch einmal massiv gesteigert zu haben. Das gilt für die Optik des Studios und die ebenso farbenfrohe wie kreative Inszenierung, besonders aber für den Inhalt. Wo beim Vorgänger-Format „PussyTerror TV“ einst vielleicht ein bisschen zu oft der Schenkelklopfer-Humor bedient wurde, finden nun mehr denn je ernsthafte Themen statt, für die es häufig aktuelle Aufhänger gibt, was wiederum eine schnelle Umsetzung der kreativen Ideen erfordert. Kurz gesagt: „Die Carolin Kebekus Show“ besticht durch eine wunderbare Mischung aus Humor und Relevanz.
Bestes Beispiel dafür ist jene Folge, in der Kebekus ihre WDR-Kollegin Shary Reeves einen „Brennpunkt“ zum Thema Rassismus moderieren ließ, weil sie diesen „im Ersten Deutschen Fernsehen“ vermisste. Dass dem Publikum über Minuten hinweg das Lachen verging, ist ein bewusster Bruch mit den Erwartungen an eine Show dieser Art und daher besonders. Gleichwohl ist genügend Raum für Blödeleien, was die Sendung über weite Strecken hinweg zur Wundertüte im besten Sinne werden lässt. Auch abseits des „Brennpunkts“ bot die erste Staffel über acht Wochen hinweg zahlreiche Höhepunkte, die die Grimme-Jury überzeugten: Mit Mai Thi Nguyen-Kim diskutierte Carolin Kebekus als Engelchen und Teufelchen über Meinungsmache im Netz, die Antibabypille erhielt eine kritische Würdigung und selbst das Thema Kirche wurde nicht ausgespart – inklusive eines bissigen Songs, der damit endete, dass eine schwarze Frau auf dem Papst-Thron Platz nahm. Das ist schon alleine deshalb bemerkenswert, weil eine ähnlich kritische Auseinandersetzung mit der Kirche vor einigen Jahren noch dazu führte, dass Kebekus und der WDR für eine Zeit lang getrennte Wege gingen. Ohnehin scheut sie sich erstaunlich häufig nicht davor, kritisch mit dem eigenen Arbeitgeber umzugehen. So kehrte die Künstlerin das vermeintliche „Frauen-Problem“ der ARD, das der Programmdirektor lautstark in einem Zeitungsinterview monierte, im Rahmen ihrer Show mal eben zum „Männer-Problem“ um. Lautstark und humorvoll, vor allem aber mit Nachdruck. Das zeigt, dass nicht einmal der eigene Sender vor der Komikerin sicher ist – und beweist: Mehr Haltung geht nicht.