(Leitwolf Filmproduktion für NDR)
Grimme-Preis an:
Hilke Rönnfeldt (Buch/Regie)
Salka Weber (Darstellung)
Jenny Lou Ziegel (Bildgestaltung)
Erstveröffentlichung: ARD Mediathek, Freitag, 7. Juni 2024
Sendelänge: 5 x 25 Minuten
Inhalt:
Malika (Salka Weber) behauptet sich mit brennendem Ehrgeiz an Bord eines Containerschiffs. Als Chief Mate steht sie vor dem großen Karriereschritt zur Kapitänin. Doch ihre neue Vorgesetzte beobachtet sie genau und hat Einwände. Wütend begeht Malika einen schweren Fehler und hat jetzt die Wahl: Kündigung oder eine Bewährungszeit bei den Festmachern an Land. Festmacher kümmern sich darum, dass Schiffe sicher im Hafen an- oder ablegen. Malika hat dafür nur Verachtung übrig
Die Gruppe, bei der sie arbeiten soll, ist durchaus speziell – und pflegt ein wortkarges, aber ausgeprägtes Gemeinschaftsleben. Etwas, das die Einzelkämpferin Malika weder will noch beherrscht. „Wir sind eine Festmacher-Gesellschaft, alle gleichgestellt, das gibt es so nicht mehr im Hafen“, erklärt ihr der blonde Ludde (Peter Plaugborg). Ludde kann die dominante Malika nicht ausstehen und provoziert sie. Warum sie bei den Festmachern ist, verheimlicht Malika, ihrer Schwester macht sie vor, sie fahre weiter zur See. Es zeigt sich: Die Chief Mate ist bei ihrer neuen, „niederen“ Arbeit alles andere als perfekt. Sie muss Niederlagen einstecken, Fehler eingestehen, Hilfe annehmen. Mit der Zeit aber macht sie selbst fest in dieser Gemeinschaft und steht vor der Frage: Will sie wirklich zurück?
Begründung:
Fantastische Bilder, eine großartige Hauptdarstellerin, ein stilles Tempo, das einen mächtig in seinen ungewohnten Rhythmus zieht – und vor allem die eigenwillige Welt der Hafenarbeit: „Festmachen“ ist eine wunderbare Überraschung in diesem Jahrgang.
Fast dokumentarisch gefilmt, beobachten wir selten zugängliche Arbeitswelten: Erst an Bord des Containerschiffs mit der Brücke hoch über dem unwirklich strahlenden Blau des Meeres. Später bei der Arbeit im Hafen mit den Lotsen und Festmachern, mit ihren Schichtplänen und Bereitschaftsdiensten, ohne die es für die Schiffe keine sichere Heimkehr gibt. Ungewöhnliche Orte für eine junge Miniserie.
Aber Hilke Rönnfeldt, die das Buch schrieb und Regie führte, ist an der Ostseeküste aufgewachsen und hat in Kopenhagen studiert, das Meer ist eine Konstante in ihren Filmen. Und dann denkt man nach einer Weile, dass es hier, während die Bilder scheinbar doch vollkommen in der Beobachtung bleiben, trotzdem um etwas grundsätzlich Gesellschaftliches geht: Diese junge Frau, Malika, hat sich festgefahren in einem rigorosen Leistungsdenken als aufstiegsorientiertes Alphatier in einer Männergesellschaft. Nun trifft sie auf eine Gruppe von irgendwie buchstäblich gestrandeten Festmacher-Typen; sie üben einen Beruf aus, bei dem nichts geht, wenn man nicht von Gleich zu Gleich zusammenarbeitet, egal ob Mann oder Frau. Und das Wichtigste: Ohne sie kommen die großen Schiffe nicht klar.
Eine große gesellschaftliche Parabel! Ein zärtlich-sprödes Beschreiben von Handwerk. Und doch die Geschichte einer jungen Frau, die wütend immer weiter ins Scheitern hineinrennt, weil sie lernen muss, bei sich selbst an Land zu gehen, bei etwas Eigenem festzumachen.
Fast utopisch ist das, dieses filmische Zusammenspannen einer Verbindung, die nicht reißen darf: Zwischen der Welt da oben auf den Schiffsbrücken und denen in den orangenen Arbeitshosen, die die Welt der Dinge am Laufen halten.
Malika, die als Chief Mate so gern den Blick über den Meereshorizont schweifen ließ, verändert sich. Sie wird bei den Festmachern wieder anfangen, selbst zu schwimmen, in das Wasser und ins Leben einzutauchen. Es flirrt über all dem eine Leichtigkeit und Einfachheit. Die Sinnlichkeit der konkreten Welt, mit der uns die kleine Serie erwischt, ist überwältigend. Hier wird etwas eingelöst, das so selten im Fernsehen zu finden ist: der Beweis, dass Film mit seinen Mitteln etwas Großes verhandeln kann, das mit Worten unausgesprochen bleibt. Eine scheinbar kleine Geschichte von der Arbeit am Wasser, die so viel aktuelle Relevanz mitbringt, das ist eine erfrischende Irritation.