61. Grimme-Preis 2025

Grimme-Preis für die Besondere Journalistische Leistung an Isabell Beer und Isabel Ströh

... für ihre intensiven digitalen Recherchen zu sexueller Gewalt für die Filme „STRG_F Epic – Pädokriminelle im Stream: So sicher fühlen sich Täter“ und „STRG_F – Das Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram“ (NDR/funk)

 

Begründung:

Alles beginnt mit dem Link zu einem Telegram-Chat, auf den Einladungen in weitere Gruppen folgen. Gruppen mit Hunderten, zum Teil Tausenden Mitgliedern, in denen Männer sich darüber austauschen, wie sie Frauen, oft ihre eigenen Partnerinnen, mit K.o.-Tropfen bewusstlos machen und vergewaltigen. Sie teilen sogar Bilder und Videos von ihren Taten, feuern sich gegenseitig an und geben sich Tipps zur richtigen Dosierung von Betäubungsmitteln. Es sind schier unerträgliche Abgründe, die die Journalistinnen Isabell Beer und Isabel Ströh in ihrer „STRG_F“-Doku „Das Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram“ aufdecken.

Ebenso erschütternd ist ihre Doku „Pädokrominelle im Stream: So sicher fühlen sich Täter“. Darin geht es um die Video-Plattform „Likee“, die vor allem von Kindern genutzt wird. Pädokriminelle nutzen sie aus, überreden Kinder in Livestreams dazu, sich auszuziehen, und belästigen oder missbrauchen sie in Chats – oft ohne Folgen. Um zu zeigen, wie Cybergrooming funktioniert, führen die „STRG_F“-Reporterinnen Tests mit Fake-Profilen durch, sogenannte Scheinkindversuche. Damit machen sie nachvollziehbar, wie Täter Kontakt zu Kindern aufnehmen und diese manipulieren können.

Mit journalistischer Hartnäckigkeit, Akribie und Professionalität, aber gleichzeitig auch großer Sensibilität tauchen die beiden Journalistinnen und ihr Team in die digitalen Abgründe ein, in denen schwerste Straftaten begangen werden. Sie zeigen, wie leicht es für Täter ist, an Opfer zu kommen. Aber auch wie schnell man theoretisch Täter überführen kann, wie sehr Behörden dabei teilweise versagen – und Plattformen oft einfach wegschauen.

Bemerkenswert ist auch die Art, wie Isabell Beer und Isabel Ströh ihr Vorgehen Schritt für Schritt erklären: journalistische Transparenz, wie sie in gegenwärtigen Mediendiskursen oft gefordert wird. Und das selbst in Momenten, in denen die Recherche an Grenzen stößt. Ein Beispiel: Als sie auf einen Mann stoßen, der mutmaßlich seine Partnerin in einer Chatgruppe zur Vergewaltigung anbietet, informieren sie die Behörden. Da die Ermittlungen laufen, können sie diesen Teil der Geschichte nicht weitererzählen. Doch weil sie ihre Arbeit stets genau erklären, lässt das keine Leerstelle im Film, sondern sorgt für Glaubwürdigkeit und zeugt von hohen ethischen und juristischen Standards.

Trotz der schweren und brutalen Inhalte der Dokus gelingt es den Autorinnen, einen respektvollen Zugang zu wahren, ohne Voyeurismus oder Effekthascherei. Das hohe Verantwortungsbewusstsein zeigen die „STRG_F“-Journalistinnen dabei nicht nur gegenüber den mutmaßlichen Opfern und im Umgang mit dem teilweise erschreckenden Bildmaterial. Sie achten auch auf das emotionale Wohl der Teammitglieder, indem die Produktion von Expertinnen begleitet wird.

Die Arbeit von Isabell Beer und Isabel Ströh trägt wesentlich zur Debatte über digitale Verantwortung und strafrechtliche Konsequenzen für Täter und Plattformen bei. Und sie macht deutlich – gerade vor dem Hintergrund des Falls von Gisèle Pelicot in Frankreich –, dass solche Straftaten keine Einzelfälle sind, sondern dass es sich um strukturelle Probleme handelt, die uns alle betreffen können.

Isabell Beer und Isabel Ströh zeigen, wie wichtig investigativer Journalismus in digitalen Räumen ist. Ihre Arbeit ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Medien gesellschaftliche Missstände aufzeigen können.

 
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