61. Grimme-Preis 2025

Herrhausen – Der Herr des Geldes

(Sperl Film- und Fernsehproduktion/ X-Filme Creative Pool für ARD DEGETO/rbb/SWR/hr)

 

Grimme-Preis an:

Thomas Wendrich (Buch)

Pia Strietmann (Regie)

Gabriela Sperl (Produktion)

Oliver Masucci (Darstellung)

 

Erstveröffentlichung: ARD Mediathek, Montag, 30. September 2024, 5.30 Uhr

Sendelänge: 4 x 60 Minuten

 

Inhalt:

Der November 1989 hat sich den Deutschen tief ins Gedächtnis eingeprägt: Am 4. November demonstrierten Hunderttausende in Ostberlin für Presse- und Meinungsfreiheit in der DDR. Am 9. November fiel die Mauer. Der Monat endete mit der Ermordung von Alfred Herrhausen in Bad Homburg. Herrhausen, ab 1988 alleiniger Vorstandssprecher der Deutschen Bank, hatte in den 80er Jahren mit seiner Idee eines Schuldenerlasses für die ärmsten Länder viel Aufsehen erregt, auch im Vorstand der Deutschen Bank gab es heftige Kritiker. In den 80er Jahren unterstützte Herrhausen zudem auf Bitten seines Freundes, Bundeskanzler Helmut Kohl, die Politik Gorbatschows in der UdSSR mit einem Milliardenkredit. Dies sorgte für Irritationen in den USA.

Die Ermordung von Alfred Herrhausen im November 1989 ist einer der größten ungeklärten Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik. Zwar übernahm die Rote Armee Fraktion die Verantwortung für das Sprengstoffattentat auf Herrhausen, doch die Täter wurden nie identifiziert. Auch die Echtheit des Bekennerschreibens wurde angezweifelt. Jahrelang hielten sich Gerüchte über eine Beteiligung des Hessischen Verfassungsschutzes und Mutmaßungen darüber, was die westlichen und östlichen Geheimdienste wussten und verschwiegen.

 

Begründung:

Alfred Herrhausen, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank und zahlreicher Aufsichtsräte, war in den 80er Jahren einer der mächtigsten Männer Deutschlands. Er gehörte zu den entscheidenden Gestaltern der sogenannten Deutschland AG, der Verflechtung zwischen Banken, Industrieunternehmen und Politik. Er machte nicht nur durch seine Idee des Schuldenerlasses für die ärmsten Länder von sich reden, in Absprache mit seinem Freund, Bundeskanzler Helmut Kohl, organisierte er auch Kredite für die reformwilligen Länder in Osteuropa und die UdSSR und trug so entscheidend zum Fall des Eisernen Vorhangs und der Mauer bei.

Regisseurin Pia Strietmann, Autor Thomas Wendrich und Produzentin Gabriela Sperl erzählen in dieser rasanten vierteiligen Serie von den letzten Jahren Herrhausens. Sie zeichnen ein Bild von den späten 80er Jahren der Bundesrepublik mit ihren Herrenrunden, in denen der Vorschlag, eine Frau in den Vorstand zu berufen, Gelächter auslöst. Und sie stellen diesen Herrenrunden mit der Vorstandssekretärin Frau Pinckert (hinreißend gespielt von Ursula Strauss) eine Vorzimmerdame gegenüber, die um ihre Macht weiß und sie geschickt ausspielt.

Die Serie erzählt von der internationalen Politik und den sich hinter den Kulissen belauernden, Freund und Feind belauschenden Geheimdiensten in den letzten Jahren des Kalten Krieges und von einer Roten Armee Fraktion, der mit der Erosion der Blöcke nicht nur die Geldgeber, sondern auch die Feindbilder wegbrechen.

„Herrhausen – Der Herr des Geldes“ ist Königsdrama und Zeitbild zugleich. In geschliffenen Dialogen bekriegen sich die feinen Herren im Vorstand der Deutschen Bank. Pia Strietmann hat den Stoff souverän inszeniert, zieht mal das Tempo an, dehnt dann wieder die Zeit und setzt die Runden im fensterlosen Saal atmosphärisch dicht ins Bild. Oliver Masucci verkörpert den ebenso gewinnenden wie ehrgeizigen Intellektuellen und Machtmenschen Herrhausen, für den Stillstand Tod bedeutete, überzeugend. Er zeigt ihn als Strategen, der seinen Vorstandskollegen in den Macht- und Ränkespielen in der Deutschen Bank stets einen entscheidenden Schritt voraus ist. Doch Herrhausen, der meint, die Fäden in der Hand zu halten, hängt in diesem Spiel der sich auflösenden Kräfte selbst an Fäden, die andere ziehen.

„Nach einer wahren Geschichte. Soweit Geschichte wahr sein kann“, steht zu Beginn jeder Folge. „Herrhausen“ bietet uns eine gewagte Interpretation einer wichtigen Phase der deutschen Geschichte und regt dazu an, über die Geschichten nachzudenken, die noch erzählt werden müssten. Die Serie ist dramaturgisch und visuell auf der Höhe der Zeit und erzählt die Geschichte so, dass man spürt, dass die damalige Zeit für unsere Gegenwart heute entscheidend ist. Wenn diese Vergegenwärtigungskunst gelingt, wenn Spannung und Nachdenklichkeit einen Pakt eingehen und ein multiperspektivischer Erzähl- und Deutungsraum entsteht, dann ist das auszeichnungswürdige Fernsehkunst.

 
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