41. Grimme-Preis 2005

Damals in der DDR (ARD / MDR / WDR)

Adolf-Grimme-Preis an

Karsten Laske (stellv. für das Regie- und Autorenteam)

Gunnar Dedio (Produktion)

Stab

Redaktion: Ulrich Brochhagen und Wolfgang Fandrich (MDR), Beate Schlanstein (WDR)

Serienregie / Buch: Karsten Laske (Preisträger)

Buch / Regie: Sven Ihden, Roland May (1); Reinhard Joksch (2); Ute Gebhardt (3); Burkhard Kunst (4)

Produktion: Gunnar Dedio (Preisträger), LOOKS Film & TV GmbH

Kamera: Max Penzel, Hans-Peter Eckardt, Marc Hennicke, Peter Klotz

Schnitt: Roland Possehl (1), Marian Otto (2), Robert Handrick (3), Kai Böge (4)

Sendelänge: 43 Min.

Erstausstrahlung: ab 8.11.2004, jeweils montags, 21.45 h

Inhaltsangabe

Demonstrationen kurz vor der Wende: Ein junger Offiziersschüler muss gegen sein eigenes Volk kämpfen. Nach einer langen Nacht gibt es Verpflegung: u. a. Bananen. Der Mann erinnert sich: "Stellen Sie sich vor, nach so einer Nacht sitzen da fünfzig "Bullen" auf der Straße und essen Bananen." Eine junge Frau sei vorbeigekommen und habe geweint. Sie sagte: "Ich kann diese Schweine nicht mehr sehen! Und das kam richtig von innen."

Es sind persönliche Geschichten wie diese, die das Leben in der DDR noch einmal Revue passieren lassen: Es sind Anekdoten am Rande, wie die von dem Jungen, der seit seiner Jugendweihe auf das versprochene Buchpräsent von Erich Honecker wartet. Oder die des ehemaligen FDJ-Mädchens, das 1951 bei den Weltfestspielen der Jugend in Berlin auf den Klassenfeind in Gestalt einer älteren Dame trifft, die ihm Schokolade schenkt.

Es sind aber auch bewegende menschliche Schicksale: z. B. die Geschichte einer Frau, die nach der Flucht in den Westen die Sehnsucht nach ihrer Familie zurücktreibt. Nachts gelingt ihr voller Angst der Weg über den Todesstreifen - nur ein einziger Besuch sollte es sein. Auf dem Rückweg wird sie festgenommen und muss für ein Jahr ins Gefängnis.

Solche Erinnerungen von Zeitzeugen verknüpft die Doku-Serie mit historischen Aufnahmen und stellt gelegentlich in Spielszenen Situationen nach. Auf diese Weise zeichnen die Autoren ein Bild nicht nur von einem Staat, den es nicht mehr gibt, sondern vor allem vom Leben der Menschen "Damals in der DDR."

Begründung der Jury

Es gibt ihn eben doch noch, den unterschiedlichen Blick von Osten nach Westen und von Westen nach Osten. Wie könnte es auch anders sein. Und dann gibt es diesen Vierteiler "Damals in der DDR", in dem ein Team aus ARD, WDR und MDR einen gemeinsamen Blick unternimmt. Oder vielleicht besser: ein Portrait erstellt, das sowohl für Menschen mit Ostbiografie als auch für solche mit Westbiografie gleichermaßen interessant und spannend sein kann. Ein durchaus gewagter und tatsächlich sehr gelungener Versuch, den Gunnar Dedio (Produktion), Karsten Laske (Buch und Serienregie) und ihr Team da unternommen haben.

Diese beiden (mit Ostbiografie) stehen für die Stimmigkeit der Eindrücke und des DDR-Gefühls, das sie vermitteln; die gesamte Redaktion (mit Ost- und mit Westbiografie) steht für die Integration der verschiedenen Sichtweisen und natürlich für die Korrektheit der historischen Details. Und davon gibt es in diesem Vierteiler eine Menge. Eine historische Zeitreise, an der wir teilnehmen können, jenseits der großen Bilder und Gesten, die wir schon hundert Mal gesehen haben. Diese Reise ist kurzweilig, aber mit spürbarer Liebe und angemessener Zeit für die Menschen und ihre Geschichten erzählt. Und da ist eben keine Nostalgie dabei, man akzeptiert die Menschen, die man vor die Kamera holt, mit ihrem ganzen Leben und ihrer ganzen Vergangenheit, der Film muss nicht entlarven, er muss nicht bloßstellen. Das Gute an diesem Film ist, dass er den Protagonisten ihr Leben und ihre Geschichte belässt, auch übrigens ihre Emotionen, ohne dabei unkritisch oder gar anbiederisch oder verbrämend zu werden. Und er findet eine Menge von Bildern, die das Leben aus vierzig Jahren DDR auf neue Weise illustrieren, auch in seinen fiktionalen Nacherzählungsteilen. Nicht nur historisch eher Unbekanntes, wie beispielsweise die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in den späten Fünfzigern und ihre Folgen für einzelne Menschen, auch Absurdes, wie die Konsumgüterproduktion des DMR-Wanddosenöffners und des Autodach-Metallbootes im Rostocker Dieselmotorenwerk, bekommt seine innere Logik - wir verstehen es, ohne es deshalb gut oder gar richtig finden zu müssen.

Der Vierteiler bleibt nicht in Berlin, Hauptstadt der DDR, er begibt sich auch in die Provinz. Er nimmt uns mit, wir begleiten ihn auf seiner Zeitreise in die Vergangenheit eines untergegangenen Staats. Wir begreifen mehr als bisher, was das Charakteristische dieser DDR war, wenn es denn überhaupt ein Charakteristikum eines Staates geben kann und nicht nur mannigfaltige Facetten. Der Film zeigt uns gleichermaßen die Poesie der Herzen wie die Prosa der Verhältnisse. Dafür vergibt die Jury den Grimme-Preis 2005.

 
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