43. Grimme-Preis 2007

Art Safari (ZDF/ARTE)

Sonderpreis Kultur des Landes NRW an

Ben Lewis (Buch/Regie) 

Stab

Produktion: Bergmann Pictures und TV2 Danmark

Redaktion: Martin Pieper

Erstausstrahlung: ab 8.4.2006, jeweils samstags, 20.15 h (ARTE)

Sendelänge: je 26 Min.

Inhaltsangabe

Die Welt der zeitgenössischen Kunst und die Gedanken der Künstler mögen manchem Betrachter sicherlich wie ein Dschungel erscheinen. Durch diese teils unbekannte, scheinbar undurchdringliche Welt braucht man einen guten Führer. Ben Lewis lädt in seiner „Art Safari“ zu einer solchen Reise ein und versucht dabei, mit einer Mischung aus Ernsthaftigkeit, Wissen, Neugier und Ironie einer entscheidenden Frage auf den Grund zu gehen: Was will uns dieser Künstler sagen?

So stellt er etwa den Videokünstler Matthew Barney vor, der mit seinem Cremaster-Zyklus eine Allegorie auf das Leben schaffen wollte. Sieben Jahre hat Barney mit einem 40-köpfigen Produktionsteam an den fünf Filmen gedreht und dabei etwa im New Yorker Chrysler-Building Autounfälle im Erdgeschoss und Zahnarzt-Folter im Penthouse inszeniert. Wir bekommen vieles zu sehen. So eine Maschine des Belgiers Wim Delvoye, welche das menschliche Verdauungssystem simuliert. Die Warteliste der Kunstsammler, welche die darin produzierten Exkremente erwerben wollen, ist lang.

Und auch Delvoyes tätowierte Schweine erzielen fünfstellige Summen bei Auktionen. So lässt sich Lewis selbst von dem Künstler eine gekreuzigte Maus auf den Rücken tätowieren – als Investition in den boomenden Markt für zeitgenössische Kunst, wie er sagt. Unterhaltend, informierend und souverän führt Lewis seine Zuschauer durch das Dickicht der künstlerischen Eigentümlichkeiten; und das alles, so die Sunday Times, „mit dem Anschein, als hätte er keine Ahnung, was er gerade tut.“

Begründung der Jury

Filmische Erfahrungen als analytische Abenteuer, aber auch als abenteuerliche Analysen, das bietet Ben Lewis, der Kunstfreak und preisgekrönte Regisseur und Autor in seiner siebenteiligen Serie. Sie ist eine Reise zu außergewöhnlichen Künstlern und ihren Werken zeitgenössischer Kunst, oft mühsam und anstrengend und doch ein aufregend faszinierender Lernprozess. 

Die Zuschauer finden sich zunächst irritiert mitten im Cremaster-Zyklus des Amerikaners Matthew Barney wieder und erkennen nach und nach, welche Kräfte aus Fotos, Skulpturen, Videoinstallationen und künstlerischen Aktionen strömen, wenn sie visuelle „Zeugen göttlicher Offenbarungen“ werden. 
Sie lernen faszinierende Künstlerpersönlichkeiten auf eine charmante Weise kennen, wie Sophie Calle, die Grande Dame der zeitgenössischen Kunst in Frankreich. Amüsiert werden sie hineingezogen in den Internetdialog mit der Künstlerin und begreifen, dass dieses Spiel ein Teil ihrer Kunst ist, in Strukturen zu denken und sie gleichzeitig offen zu legen.

Mit Gregor Schneider aus Deutschland erleben sie ein Raum-Abenteuer. Das von außen unscheinbare Haus hat es in sich: Räume ohne Türen, schalldicht isolierte Zimmer, Türen ohne Räume, Zwischenwände, hinter denen nichts ist. Alles hat nur eine Funktion: Verwirrung zu stiften und gewohnte Räume in Frage zu stellen. 

Ben Lewis fragt ungekünstelt und ungewohnt direkt

Bei jedem Künstler entwickelt sich neu eine ausdrucksstarke, individuelle Dynamik. Mit jeder beharrlich gestellten Frage, wird Neugierde und Lust auf mehr geweckt. Ben Lewis fragt ungekünstelt und ungewohnt direkt und lässt zu, dass Künstler auch schweigend, nur mit dem Blick auf ihre Werke antworten. Gerade seine respektlose und dabei doch behutsame Art verhilft zu neuen Erkenntnissen, vermittelt einen Schlüssel zur zeitgenössischen Kunst. 

Er staunt selbst über das, was er mit seinen Filmen entdeckt, und dabei schafft er es, stets authentisch zu bleiben. Er kokettiert nicht mit dem Zuschauer, genauso wenig wie mit den Künstlern. So gelingt es ihm, auf seine natürliche, unverkrampfte Art moderne Kunst verstehbar zu machen. 

Ben Lewis konterkariert mit seinen Filmen jegliche Vernissage- und Kataloglyrik. Er braucht keine perfekt vorgetragenen Analysen. Er kommuniziert, in dem er das Kindliche in sich zulässt und mit kindlicher Naivität die Künstler und ihr Werk bestaunt und dabei für sich und die Zuschauer entdeckt. Es gelingt ihm, durch den Dschungel zeitgenössischer Kunst zu reisen, ohne darin die Orientierung zu verlieren. 

 
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