43. Grimme-Preis 2007

Bezahlter Lobbyismus in Bundesministerien (ARD/WDR)

Adolf-Grimme-Preis an

Ralph Hötte

Kim Otto

und Markus Schmidt  (stellv. für das Autorenteam)

Inhaltsangabe

Sie sind Diener zweier Herren, die so genannten Leihbeamten, die in Ministerien arbeiten, ihr Geld aber aus der Wirtschaft beziehen. Sie arbeiten an aktuellen Themenstellungen, sogar an Gesetzen mit. Das Ziel: ihrem Arbeitgeber – und das ist in der Regel ein Großkonzern und nicht der Staat – den Weg zu ebnen und ihn mit internen Informationen zu versorgen. Am 19. Oktober 2006 deckte „Monitor“ auf, dass mindestens 30 solcher Lobbyisten in verschiedenen Ministerien beschäftigt sind oder waren. Ob der Bundesverband der deutschen Bauindustrie oder der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport: Ihre Mitarbeiter sitzen mit an den Hebeln der Macht und können auf politische Entscheidungen zu ihren eigenen Gunsten Einfluss nehmen. Der Beitrag löste eine politische Diskussion aus, die Wirkung zeigte. Nicht nur die von „Monitor“ geschätzten 30, sondern gar 100 solcher Lobbyisten aus Unternehmen und Verbänden arbeiteten in den vergangenen vier Jahren in den Ministerien mit, räumte die Bundesregierung ein.

Vermutlich gibt es aber noch mehr, so „Monitor“, und brachte am 21. Dezember, also zwei Monate später, einen Folgebericht, in dem weitere Beispiele genannt wurden. So leitete ein Mitarbeiter bei Daimler Chrysler die Abteilung Konzernstrategie/ Verkehrspolitik, während er als Beschäftigter des Verkehrsministeriums an der Quelle saß, als dort der Milliardenauftrag für die LKW-Maut-Technik vergeben wurde. Den Zuschlag bekam am Ende übrigens ein Betreiberkonsortium, dem auch Daimler Chrysler angehörte.

Begründung der Jury

Recherche ist teuer, aufwändig – und manchmal kommt gar nichts dabei heraus. Einfacher und billiger lassen sich Sendeminuten füllen, wenn man jemanden vor ein Mikrofon bekommt, der im Interesse der eigenen Profilierung ein Statement abgibt, und wenn man dann noch jemand anderen befragt, der – ebenfalls im Interesse der eigenen Profilierung – einen gegenteiligen Standpunkt vertritt. Streit bringt allemal Quote. Man kann die abgefragten Stellungnahmen auch noch mit der schmeichelnden Überschrift „Streitkultur“ versehen, und wenn genügend Zuschauer einschalten, dann bedarf ein Beitrag oder eine Sendung keiner weiteren Rechtfertigung mehr.

Umso verdienstvoller ist es, wenn Reporter, Redakteurinnen und Ressortleitung es wagen, sich auf das Abenteuer der Recherche einzulassen, dessen Ausgang stets ungewiss ist. Das gilt umso mehr, wenn das Thema der Recherche der Lobbyismus ist. Der verweigert sich seiner Natur nach auf besonders sperrige Weise journalistischen Begehrlichkeiten. Einige mögliche Gesprächspartner dürfen nichts sagen, andere wollen nichts sagen – die Gefahr des Scheiterns ist in diesem Bereich besonders hoch.
Ralph Hötte, Kim Otto, Markus Schmidt sind - wie ihre Mit-Autoren im Team, Florian Bauer und Matthias Veit - nicht gescheitert. Sie haben weder Zeit noch Mühe noch Aufwand gescheut, als sie für die ARD-Sendung „Monitor“ der Frage nachgingen, wie weit die Arme der Interessengruppen eigentlich reichen. Das, was sie herausfanden, ist eben so alarmierend wie aufschlussreich: Unternehmensmitarbeiter, Lobbyisten also, arbeiten in Ministerien, obwohl sie weiterhin von ihren Firmen bezahlt werden. Sie können es – soll man sagen: bei guter Führung? – sogar bis zu Referatsleitern bringen. Und an Gesetzesentwürfen mitarbeiten. 

Die beiden „Monitor“-Beiträge zum Thema, gesendet am 19.10.2006 und am 21.12.2006, wurden akribisch recherchiert und nüchtern präsentiert. Sie haben aufgedeckt, wie eng politische Institutionen, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, mittlerweile mit ökonomischen Einrichtungen, die Interessen Einzelner verfolgen, verflochten sind.

Immerhin: Die Beiträge blieben nicht folgenlos. Die Opposition hat danach parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Der Bundesrechnungshof prüft die Vorgänge. Die ausgezeichneten „Monitor“-Beiträge sind Beispiele dafür, was ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten kann, der sich nicht primär wirtschaftlichen Interessen – vulgo: der Quote –, sondern den Idealen der Aufklärung verpflichtet fühlt.

 
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