Adolf-Grimme-Preis an
Ulrike Franke und Michael Loeken (Buch/Regie)
Produktion: filmproduktion loekenfranke
Stab
Produktion: filmproduktion loekenfranke
Buch/Regie: Michael Loeken und Ulrike Franke
Kamera: Rüdiger Spott, Michael Loeken
Schnitt: Guido Krajewski
Musik: Maciej Sledziecki
Redaktion: Sabine Rollberg (WDR/ARTE)
Erstausstrahlung: Donnerstag, 13.11.2008, 22.35 Uhr
Sendelänge: 96 Min
Inhaltsangabe
Die Dortmunder Kokerei Kaiserstuhl war die modernste der Welt, als sie im Jahr 2000 nach nur acht Jahren still gelegt wurde, weil die Koksproduktion in Deutschland zu teuer geworden war. Jetzt steht sie in China und hat zwei exakte Duplikate. Die Chinesen haben die gigantische Anlage quasi einpackt und zu Hause wieder aufgebaut. Eineinhalb Jahre hat alleine der Abbau gedauert, den Michael Loeken und Ulrike Franke mit der Kamera dokumentiert haben. Auf der einen Seite stehen die verbliebenen deutschen Arbeiter, die den Abbau überwachen sollen. Ihr Herz hängt an der Anlage, die sie selbst einige Jahre zuvor in Betrieb genommen haben. Sie werden mit der Heimreise der Chinesen endgültig ihren Job verlieren. Dennoch versuchen sie ihre Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen, auch wenn hier zwei Welten aufeinander treffen. Für deutsche Sicherheitsbestimmungen sind chinesische Arbeiter nämlich kaum zu begeistern. Sie haben im Namen ihres Vaterlandes ihr Soll zu erfüllen. Das gibt sogar eine Schwerverletztenquote von 7 pro 1000 Arbeiter vor, und die ist bald überschritten. Fern von ihren Familien stehen die Arbeiter unter einem enormen psychischen Druck, doch trotz aller Zweifel scheinen sie hinter der Ideologie ihrer Regierung zu stehen und wollen ihrem Land zu Wohlstand und Ansehen verhelfen. China hat ein Ziel, das in einem Zitat des chinesischen Bauleiters am deutlichsten wird: Er übersetzt „Reich der Mitte“ scherzhaft mit „Zentrum der Welt“...
Begründung der Jury
„Losers and Winners“ erzählt eine Geschichte aus der globalisierten Wirtschaft. Die Dortmunder Kokerei Kaiserstuhl wurde 1992 für 650 Millionen Euro gebaut und 2000 wieder stillgelegt, weil die Kokspreise auf dem Weltmarkt gefallen waren. China kaufte die Produktionsanlage, die modernste ihrer Art. Das riesige Werk wurde demontiert, um dann viele Tausend Kilometer entfernt wieder aufgebaut zu werden – nebst zwei weiteren Kokereien nach gleichem Muster.
Michael Loeken und Ulrike Franke haben eineinhalb Jahre lang diesen Prozess mit der Kamera begleitet. Sie haben mit den deutschen und den chinesischen Arbeitern geredet und das allmähliche Verschwinden des Werks gefilmt. Manchmal mag man kaum glauben, dass diese riesigen Haufen zerschnittenen Stahls wieder zu einem funktionierenden Werk zusammengefügt werden können.
Der Film bezieht seine Spannung und seinen Reiz aus dem Zusammentreffen zweier Welten. Die beiden Gruppen haben wenig miteinander zu tun. So pflegen die deutschen Arbeiter noch ihre Arbeitsrituale und müssen doch hilflos zusehen, wie sie überflüssig werden – mit dem Werk wird auch ihr Selbstbewusstsein demontiert. Die Chinesen haben ihre Küche mitgebracht und schauen im Speisesaal chinesisches Fernsehen. Kaum einmal verlassen sie das Werksgelände, beispielsweise, um Trödelmärkte zu besuchen oder nach Hause zu telefonieren. Sie arbeiten 60 Stunden in der Woche und werden mit 400 Euro monatlich entlohnt. Wer unerlaubt zu früh Pause macht, dem wird Lohn abgezogen. Zugleich sind sie stolz, sehen ihr Land im Aufwind und viel Zukunft vor sich. Wer sind die Verlierer, wer die Gewinner?
„Losers and Winners“ ist ein klassischer Dokumentarfilm, ohne Kommentar, in klar gebauten und ruhigen Bildern erzählt, in kluger Erzähldramaturgie, immer übersichtlich, in gelassenem Wechsel von beobachtenden und erzählenden Passagen. Es gelingen den Autoren viele kleine und beredte Beobachtungen, wie sie nur der Dokumentarfilm versammeln kann. Auch im Ganzen gesehen ist der Film ein schöner Beweis, wie wichtig und tragfähig dokumentarische Neugier ist. Die beiden Autoren haben spontan zu drehen begonnen, als sie von der Demontage des Werks hörten. Ihr Projekt blieb zunächst finanziell ungesichert, doch dauerte es glücklicherweise nicht zu lange, bis WDR und Arte einstiegen.