50. Grimme-Preis 2014

Oma & Bella (RB)

PreisträgerInnen

Alexa Karolinski (Buch/Regie)

Produktion: Alexa Karolinski/RB

Erstausstrahlung: Montag, 11.02.2013, 23.30 Uhr, ARTE

Sendelänge: 75 Min.

Inhalt

Filmemacherin Alexa Karolinski porträtiert in ihrem Dokudebüt „Oma & Bella“ ihre Großmutter Regina Karolinski (87) und deren Freundin Bella Katz (91). Eine herausragende Rolle im Leben der beiden holocaustüberlebenden Protagonistinnen spielt dabei die jüdische Esskultur, derer sich die beiden in ihrer ganzen Tradition voll verschrieben haben. Die aufwändigen Kochereignisse, die die Frauen in ihrem Berliner Zuhause regelmäßig stattfinden lassen, wecken Erinnerungen an ihre Jugend und Kindheit, die sie mit den Zuschauern teilen. In diesen sehr persönlichen Erzählungen über den Krieg, ihre Zeit im Konzentrationslager und den Verlust ihrer Familien wird der Schrecken des dritten Reiches fassbar. Darüber hinaus geben die Ausführungen der beiden Frauen aber auch Einblicke in die jüdische Kultur und das jüdische Leben jenseits des Holocausts. In den Beobachtungen von Katz und Karolinski in ihrer Wohnung als auch bei diversen Ausflügen zeigt Alexa Karolinski, wie sich die beiden Freundinnen ungeachtet ihrer Geschichte erfolgreich einen Platz in der Gegenwart schaffen. Über allem steht dabei die ungebrochene Lebensfreude, die sich ‚Oma & Bella’ trotz ihres persönlichen Schicksals bewahrt haben und in ihrem Alltag zelebrieren.

Stab

Produktion: Alexa Karolinski

Federführender Sender: RB

Buch/Regie: Alexa Karolinski

Kamera: Günther Berghaus, Bella Lieberberg, Alexander Malecki, 
Alexa Karolinski

Schnitt: Alexa Karolinski

Ton: Marco Heyer, Simon Konrad, Robin Leo Knauth, Robert Vogt, 
Bella Lieberberg

Erstausstrahlung: ARTE, Montag, 11.02.2013, 23.30 Uhr

Sendelänge: 75 Minuten

Jurybegründung

Welch sinnlicher Film! Nicht sattsehen möchte sich, wem die Bilder vom Tomatenschneiden, Zwiebeldünsten, Teigkneten und Würzen die Sinne reizen. Satt macht es nicht, vielmehr Appetit erregt das Sehen, ganz leiblichen Hunger auf das, was in der Einbauküche von Oma und Bella gezaubert wird. Das Odorama-Verfahren hat sich nicht durchsetzen können ? hier aber wird Fernsehen ohne technisches Beiwerk olfaktorisch erlebbar: Essensduft via Mattscheibe.

Oma und Bella: das sind zwei liebenswerte, humorvolle und interessante Protagonistinnen, die allen sofort ans Herz wachsen können. Doch Alexa Karolinski beweist ihre Kunst darin, die beiden in Szene zu setzen, ohne künstlich zu inszenieren. Auf der ihnen gebührenden Bühne lassen sie nicht allein an kulinarischer Weisheit teilhaben, sondern zudem an Lebensrezepten. Sie schauen zurück, um die Gegenwart reicher zu erfahren, geben Ratschläge, erzählen Geschichten, mal hochkomisch, mal zutiefst bestürzend. Denn ihr Leben hat lustvoll glückliche Zeiten ebenso gesehen wie die unvorstellbarste Katastrophe.

Es ist ein wichtiges Anliegen, die wenigen noch lebenden Shoah-Überlebenden vor die Kamera zu bringen und sich mitteilen zu lassen. Indem der Film das für zwei von ihnen tut, ist er im wahrsten Sinne des Wortes ein Dokumentarfilm. Gleichwohl ist es weniger die Massenvernichtung, die hier im Kern thematisch wird; vielmehr vom Leben und Überleben handelt er, sowie vom Entschluss, ausgerechnet im Land der Täter eine Heimat zu finden.

Oma und Bella strahlen vor Freude am Kochen und Essen als Leidenschaft und Lebenselixir. Es zeugt von gedanklicher Tiefe des Films, wenn diese Dimension eines existentiellen, aber vom Kochshow-Wahnsinn entfremdeten Lebensbereichs freigelegt wird: Durch die jiddische Küche ihrer Kindheit halten sich die alten Damen eine verlorene Welt lebendig; Kochen und Essen sind erinnerte Kultur, aber auch sinnenfrohe Existenz im Jetzt und Hier. Das zeigt der Film auf beeindruckende Weise und schöpft daraus gekonnt Anlässe, Oma und Bella ihre Familiengeschichte als ein Stück deutsch-jüdischer Geschichte erzählen zu lassen.

Entstanden sind dabei 75 philosophische Minuten über Leben und Tod, Erinnern und Vergessen, Identität, Freundschaft und das Älterwerden. Obwohl Alexa Karolinski nicht nur Beobachterin, sondern Teilnehmerin ist, nimmt sie sich wohlwissend zurück: Sie führt vor, dass zuweilen mehr erreicht, wer zuhört, anstatt drauflos zu reden. Eine bemerkenswerte Abschlussarbeit lässt auf weitere Filme der jungen Regisseurin hoffen ? das Förderstipendium soll ermutigen und ermöglichen, die nächsten Ideen in die Tat umzusetzen.

 
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