54. Grimme-Preis 2018

Eine unerhörte Frau (ZDF/ARTE)

Der Publikumspreis der Marler Gruppe geht an

 

Angelika Schwarzhuber (Buch)

Christian Lex (Buch)

Hans Steinbichler (Regie)

Romy Butz (Darstellung)

Rosalie Thomass (Darstellung)

 

Produktion: Lailaps Pictures

Erstausstrahlung: ARTE, Freitag, 14.04.2017, 20.15 Uhr

Sendelänge: 90 Minuten

 

Inhalt

Hanni Schwaiger lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern auf einem Bauernhof in Bayern. Sie sorgt sich um ihr Tochter Magdalena: Sie ist zu klein für ihr Alter, ihr Sehvermögen verschlechtert sich zunehmend, sie ist kraftlos und von ständigen Kopfschmerzen geplagt. Doch die Ärzte glauben, Magdalena würde nur simulieren und verweigern der verzweifelten Mutter sogar eine wichtige Untersuchung. Während Hanni ihre Tochter pflegt und verzweifelt nach einem Arzt sucht, der sie ernst nimmt und ihrer Tochter hilft, vernachlässigt sie zunehmend ihre restliche Familie. Sie gibt nicht auf, kämpft sich durch Fachliteratur und erfährt nach Jahren der Suche, dass Magdalena unter einem Gehirntumor leidet. Dieser ist mittlerweile so groß, dass eine Operation nicht mehr möglich zu sein scheint. Doch sie schafft es, einen Spezialisten aus New York dazu zu bewegen, ihrer Tochter in Deutschland zu operieren. Hanni verklagt das Krankenhaus und kann die zuständigen Ärzte in einem Prozess vor dem Münchner Landgericht zur Verantwortung ziehen. 

 

Stab

Produzent: Nils Dünker

Buch: Angelika Schwarzhuber, Christian Lex

Regie: Hans Steinbichler

Kamera: Christian Rein

Schnitt: Christian Lonk

Ton: Eckhard W. Kuchenbecker, Marek Vizner

Musik: Sebastian Pille

Darsteller: Rosalie Thomass, Romy Butz, Florian Karlheim, Gisela Schneeberger, Karolina Horster, Gundi Ellert, Jenny Ringsgwandl, André Jung, Johannes Herrschmann, Norman Hacker

Redaktion: Daniel Blum (ZDF), Olaf Grunert (ZDF/ARTE)

 

Jurybegründung

Die Geschichte von Mutter und Tochter wird über drei Zeitebenen erzählt: Da ist zunächst der Prozess vor dem Münchner Landgericht, bei dem Mutter Hanni Schwaiger das Krankenhaus und die Ärzte ihrer Tochter verklagt. In Rückblenden ist ein Prozess wegen Vergewaltigung zu sehen, bei dem ein Richter der kleinen Hanni endlich Glauben schenkt. Die dritte Zeitebene zeigt Magdalenas Krankheitsverlauf und die Suche nach einer Diagnose.

Es werden Mutter-Tochter-Verhältnisse in zwei Generationen dargestellt, bei denen Vertrauen und Glauben eine große Rolle spielen: Hanni und ihre Mutter, die ihr nicht zuhören, geschweige denn glauben möchte, und dann Hanni mit ihrer eigenen Tochter, bei der sie erneut um Glauben und Verständnis kämpft. 

Die Idee der beiden Drehbuchautoren und -autorinnen Angelika Schwarzhuber und Christian Lex, die beiden Handlungsstränge, Missbrauch von Hanni, Erkrankung von Magdalena und die dazugehörigen Gerichtsverfahren, miteinander zu verweben und gleichzeitig zu einem dramatischen Höhepunkt kommen zu lassen, konnte die Jury der Marler Gruppe mehrheitlich überzeugen.

Neben Drehbuch und Regie liegt die besondere Stärke des Films, der auf einer wahren Begebenheit beruht, in der sehr authentischen Darstellerleistung von Rosalie Thomass als Hanni Schwaiger und Romy Butz als Magdalena Schwaiger: Sowohl junge als auch ältere Mitglieder der Marler Gruppe konnten sich in den Rollen, ob als Kind oder als Elternteil, wiederfinden und deren Gefühlsleben nachempfinden.

Die beiden Charaktere sind realistisch und glaubwürdig und in ihrer Darstellung nicht überemotional und doch bewegend. Das gebotene Schauspiel weckt im Zuschauer tiefe Emotionen, und lässt den Film auf eine besondere Weise sehr lebensnah wirken. 

Romy Butz gelingt es, die Verschlechterung von Magdalenas Krankheit über die Jahre hinweg und deren Auswirkung auf ihr Innerstes sehr realistisch darzustellen. Rosalie Thomass spielt Hanni Schwaiger und ihre Entwicklung von einer eher unsicheren, von Zweifeln geplagten Ehefrau und Schwiegertochter, die mit der Zeit immer mehr an Stärke gewinnt zu einer selbstbewussten und über große Hindernisse überwindenden Mutter wird, sehr überzeugend und mit großem Einfühlungsvermögen.

Trotz aller Innenansichten ergeben sich keine Längen: Von Anfang bis Ende bleibt der Film dramatisch spannend, weil eine Heilung der Tochter nicht abzusehen ist – und weil die Darstellung des recht unsentimentalen Charakters konsequent gefühlvoll wirkt.

 
Zurück