55. Grimme-Preis 2019

Familie Lotzmann auf den Barrikaden (Kordes & Kordes Film für ARD Degeto)

Grimme-Preis an

Sönke Andresen (Buch)

Axel Ranisch (Regie)

Jörg Gudzuhn  (Darstellung)

Gisela Schneeberger (Darstellung)

 

Produktion: Kordes & Kordes Film

Erstausstrahlung: Das Erste, Dienstag, 28.08.2018, 22.50 Uhr

Sendelänge: 86 Min.


Inhalt

Annemarie Lotzmann (Gisela Schneeberger) stürzt in die Krise – und mit ihr zusammen die ganze Familie. Seit vierzig Jahren ist sie mit Hubert (Jörg Gudzuhn) verheiratet, der ihren 70. Geburtstag vergisst. Statt trauter Zweisamkeit hat er nur seine Unterschriftenaktion im Kopf, saugt den geliebten Wellensittich seiner Frau mit dem Fuzzbuster auf und gibt sich redlich Mühe, den überraschenden Besuch von Annemaries Schwestern (Gudrun Ritter und Sigrid Schnegelsiepen-Sengül) zu ignorieren. Als sich Hubert dann noch gegen seine Tochter Bille (Eva Löbau) wendet und sie der Polizei (Heiko Pinkowski) ausliefert, ist für Annemarie das Maß voll, sie stellt ihrem Mann ein Ultimatum. Bis Punkt 18 Uhr muss der Staubsauger wieder funktionieren, andernfalls braucht er nicht zum Abendessen heimkehren. Auf der Suche nach Hilfe gerät Hubert mitten in die Vorbereitungen zur Eröffnung des Elektronik-Discounters McAndrews. Doch Marktleiter Schleicher (Peter Trabner), Kassiererin Gabi (Christina Große) und Firmenchefin Brenda McAndrews (Gayle Tufts) interessieren sich nicht für seine Not – Hubert sieht rot. Fest steht: Nach diesem Tag wird für Familie Lotzmann nichts mehr so sein wie zuvor.

 

Stab

Buch: Sönke Andresen

Regie: Axel Ranisch

Kamera: Dennis Pauls

Schnitt: Milenka Nawka

Ton: Veit Norek

Musik: Martina Eisenreich

Darstellung: Jörg Gudzuhn, Gisela Schneeberger, Eva Löbau, Gudrun Ritter, Sigrid Schnegelsiepen-Sengül, Ercan Durmaz, Heiko Pinkowski, Mišel Maticevic, Christina Große, Peter Trabner, Gayle Tufts, Frithjof Gawenda u.a.

Produzentinnen: Alexandra Kordes, Meike Kordes

Redaktion: Carolin Haasis (ARD Degeto), Sascha Schwingel (ARD Degeto)

 

Jurybegründung

„Familie Lotzmann auf den Barrikaden“ ist mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Es folgt eine freie Aneignung des Regelwerks Sehr gutes Manifest von Axel Ranisch.

I. Ein sehr guter Film hängt nicht vom Budget ab. Er entsteht in Freiheit selbstbestimmt und unabhängig quasi von glücklichen Filmautoren. (...)
Das mag stimmen, aber mehr Budget hat dieser hervorragenden filmischen Symbiose aus Regie, Buch und Schauspiel offensichtlich nicht geschadet.

II. Sehr gute Filme entstehen von der Idee, über den Dreh, bis zum Schnitt in einem Schwung - wie in einem einzigen, rauschhaften Arbeitsvorgang. (...)
Wie wahr. Der lustvoll-spielerischen Inszenierung einer Familiengeschichte im Abwärtstaumel konnten auch ein Standby im Sender und drei Minuten weniger nichts anhaben.

III. Redakteure, Produzenten und Förderer dürfen und sollten sehr gutes Geld investieren. (...)
Sie sind gut beraten dies zu tun, bei Geschichten, die auf das Leben schauen, jenseits der formelhaften Schablonen des mittelstandsweltlichen Alltags. „Nur wer sich bewegt, bemerkt seine Ketten!“

IV. Eine sehr gute Komödie stellt immer die größtmögliche Tragödie in den Mittelpunkt ihrer Handlung. Eine sehr gute Tragödie geht ans Herz, weil sie die Komik des Alltags nie aus den Augen verliert. Sehr gute Filme sind beides: tragisch und komisch.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

V. Das Drehbuch ist eine Bedienungsanleitung für die vielen Mitarbeiter eines Films.
Das Drehbuch ist aber auch ein Rasenmäher der Intuition. (...)
Vielleicht – nur wäre ohne das Drehbuch (Sönke Andresen) auch Huberts irrwitzige Fahrt auf dem Fuzzbuster 500 im Film zu sehen gewesen?

VI. Sehr gute Filme sind Kinder einer intakten Filmfamilie. Sie entstehen aus Leidenschaft. Ihre Themen sind wahrhaftig, ihre Helden kommen aus der Nachbarschaft und trotzdem bewegen sie sich zwischen Realismus und Fantasie, zwischen Alltag und Abstraktion.
Das grandiose Ensemble präsentiert mit zärtlich-komischer Weltsicht einen Themen-Clash, der von Konsumkritik, über Werte alter und junger Generationen und bis zur Suche nach Liebe reicht.

VII. Sehr gute Filme sind nie länger als 90 Minuten, (...), nehmen sich selbst nicht so wichtig, (...), machen Spaß, (...), sind musikalisch, politisch, einfach gestrickt und abgrundtief echt.
Der Film ist kein radikaler Gegenentwurf zum „klassischen“ Fernsehen, es gibt kein revolutionäres Erzählen, keine umwerfende ästhetische Erfahrung. So sieht es aus, wenn der Standard verrückt wird!

VIII. Sehr gute Filme sind mit nichts zu vergleichen. Sie sind in der ersten Einstellung als solche zu erkennen. Sie sind Rohdiamanten, kantig, charmant und extravagant. (...)
Absolut preiswürdig.

Das Original ist zu lesen auf: www.sehrgutefilme.de/Manifest.html

 
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