58. Grimme-Preis 2022

Chez Krömer | zu Gast: Torsten Sträter

(probono.tv für rbb)

 

Grimme-Preis an

 

Kurt Krömer

Torsten Sträter

 

Erstausstrahlung/-veröffentlichung:
rbb, Dienstag, 23. März 2021, 22.30 Uhr

Lauflänge: 30 Minuten

 

Inhalt

In der ersten Sendung der vierten Staffel „Chez Krömer“ ist Torsten Sträter zu Gast und diese Folge bricht mit der üblichen, klar strukturierten Formatvorlage: Nicht die Verunsicherung des Gastes ist das Ziel, sondern ein persönliches Gespräch, in dem Krömer und Sträter offen und nahbar ihre Erfahrungen zum Thema Depression austauschen. Hier lassen zwei Männer einander und die Zuschauenden nah an sich herankommen, sie offenbaren Ängste und zeigen Gefühle. Sie finden sprachliche Bilder für eine unsichtbare Krankheit, die diese auch für Außenstehende eindrücklich macht.

Kurt Krömer offenbart in dieser Sendung erstmals öffentlich seine eigenen Erfahrungen mit Phasen von schweren Depressionen. Mit Torsten Sträter sitzt ihm ein Gast gegenüber, der seit Jahren als einer von wenigen Prominenten offen über seine Krankheit spricht.

 

Begründung der Jury

Die beiden Protagonisten geben einen Einblick in ihr Leben. Spannend und authentisch wird es vor allem dadurch, dass sich Krömers Rolle als Gastgeber immer wieder auflöst und auch die Privatperson dahinter sichtbar wird. Krömers spitzzüngige Schlagfertigkeit ist eines seiner Markenzeichen, doch hier erlaubt er sich, nach Worten zu ringen und sich zum ersten Mal öffentlich über seine Depression zu äußern. Damit spricht er offen ein gesellschaftliches Stigma an und nutzt die Sendezeit für eine dringend notwendige Aufklärung in Bezug auf den Umgang mit psychischen Erkrankungen.

„Depression ist ein Tabuthema“, merkt Krömer in seiner Sendung an, und das, obwohl in Deutschland über fünf Millionen Menschen mit Depressionen leben – eine Zahl, die sich durch die Lockdowns in der Corona-Pandemie noch weiter erhöht hat. Depression ist eine unsichtbare Krankheit, die es selten authentisch ins deutsche Fernsehen schafft. Das gesellschaftliche Bild, das wir von Suizid, Psychiatrien und der geschlossenen Abteilung haben, ist medial hauptsächlich durch fiktionale Erzählungen geprägt. Krömer und Sträter sprechen von eigenen Erfahrungen und geben Einblick in ihr Innenleben, in die feinen Nuancen und Phasen einer Depression und schildern dabei eigene Symptome und Beobachtungen. Die besondere Atmosphäre und die herausragende Qualität des Talks entstehen dadurch, dass sich hier zwei Männer austauschen, die genau wissen, wovon sie reden, und die keine Scheu haben, zu offenbaren, dass sie von einer Krankheit betroffen sind, die für sie selbst viele Jahre unerkannt blieb. Sie finden gemeinsam Metaphern, die das Innenleben von Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, für Außenstehende greifbar machen. „Wie Verliebtsein, nur mit bösen Schmetterlingen“ ist eines der eindringlichen sprachlichen Bilder, die sich einprägen. Krömer und Sträter schildern, dass Depression viele Facetten hat. Sie waren beispielsweise hochfunktional auf der Bühne, aber von Kleinigkeiten wie einkaufen gehen vollkommen überfordert.

Es ist ein Gespräch auf Augenhöhe, ein fesselnder Dialog über ein gemeinsames Anliegen. Diese Konstellation ist so spannend, berührend und erhellend, weil hier ein herausragender Fernsehmoment geschaffen wird, in dem wir einem Prozess beiwohnen dürfen: einem Coming-out zu depressiven Störungen.

Hier zeigt sich konstruktive Fernsehunterhaltung von ihrer besten Seite. Auf Basis gegenseitiger Wertschätzung und Selbstreflexion gelingt es Krömer und Sträter, im Austausch über ein so ernstes und relevantes Thema ihren Humor und ihre Selbstironie als Offenbarungsinstrumente einzusetzen. Die Sendung sensibilisiert mit ihrer unaufgeregten und authentischen Tonalität für einen achtsameren Umgang mit psychischen Krankheiten. Und ja, eine halbe Stunde ist zu kurz für das große Thema Depression, aber Krömer hat damit einen Anfang gemacht. So können wir uns schlussendlich nur Torsten Sträters Einschätzung anschließen: „Du bist ein Hoffnungsträger für alle anderen. Wir sind jetzt schon zwei, die darüber reden.“

 
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