60. Grimme-Preis 2024

Grimme-Preis für die Besondere Journalistische Leistung an Katharina Willinger

... für ihre Berichterstattung aus der Türkei und dem Iran

(ARD-Studio Istanbul/BR)

 

Inhalt:

Das Berichtsgebiet des ARD-Studios Istanbul erstreckt sich von Griechenland über Zypern und die Türkei bis zum Iran. Allein die Unterschiedlichkeit dieser Länder lässt erahnen, wie vielfältig und komplex die Themen für die Korrespondent*innen in diesem Gebiet sind – und wie wichtig es ist, dass kompetente Journalist*innen vor Ort sind, die die Ereignisse für das deutsche Publikum einordnen.

Katharina Willinger ragt hier mit ihrer Arbeit immer wieder heraus. Seit 2017 berichtet sie für die ARD aus der Türkei, 2023 hat sie die Leitung des Studios Istanbul übernommen. Ihre Beiträge laufen unter anderem im ARD-Magazin „Weltspiegel“ und in aktuellen Nachrichten-Formaten wie den „Tagesthemen“ und dem „ARD Brennpunkt“.

Im Februar gab es ein verheerendes Erdbeben im Südosten der Türkei und im Norden Syriens, im Mai wurde in der Türkei gewählt, auf der griechischen Insel Rhodos kämpften im Juli die Einwohner gegen Waldbrände. Eine besondere Herausforderung ist die Berichterstattung über die Situation im Iran, wo das Regime nach den großen Protesten 2022 alles dafür tut, um Medienschaffende einzuschüchtern und freie Berichterstattung zu verhindern. Katharina Willinger gelang es im Januar 2023 nach monatelangem Warten ein Visum zu bekommen, und sie konnte als einzige deutsche Korrespondentin aus dem Land berichten.

 

Begründung der Jury:

Was ist eigentlich guter Auslandsjournalismus? Er ist nicht nur da, wenn die Lage gerade akut ist, wenn es gerade mal wieder irgendwo „brennt". Guter Auslandsjournalismus ist auch dann da, wenn die meisten Kameras weitergezogen sind und die Medienaufmerksamkeit längst wieder auf anderen Krisen liegt.

Katharina Willinger erfüllt genau das. Sie ist nicht nur sofort vor Ort und berichtet, wenn ein verheerendes Erdbeben in der Türkei zehntausenden Menschen das Leben und hundert-tausenden Menschen das Zuhause nimmt. Sie schaut auch Monate später hin und lässt die Menschen zu Wort kommen, die noch immer unter den Folgen der Naturkatastrophe leiden. Im Umgang mit ihren Protagonist*innen gelingt es Willinger stets einfühlsam und zugewandt zu sein, ohne die nötige journalistische Sachlichkeit zu verlieren.

Ob Kommentar, schnelle Schalte oder tiefergehendes Feature – Katharina Willingers Beiträge sind handwerklich immer von hoher Qualität und zeugen inhaltlich stets von großer Kompetenz zur Einordnung. Bei ihrer Berichterstattung über den Wahlkampf in der Türkei zum Beispiel vergrößert Willinger das enge Bild, das viele andere Medien vermitteln. Bei ihr geht es nicht nur um die Frage: Erdogan oder nicht Erdogan? Sie fächert die parteipolitische Lage in der Türkei auf und berichtet auch über andere Kandidaten.

Ein besonderes Lob verdient Katharina Willingers Arbeit über und aus dem Iran. Dort tut das Regime der Islamischen Republik alles dafür, um Kritikerinnen und Kritiker stumm zu schalten. Es will verhindern, dass die Bilder des Protests nach außen gelangen. Dutzende iranische Journalist*innen wurden 2023 inhaftiert. Umso wichtiger ist eine kontinuierliche und verantwortliche Berichterstattung.

In ihren Beiträgen aus dem Iran lässt Katharina Willinger vor allem die Frauen zu Wort kommen und schildert ihre Eindrücke zur Lage nach den großen Protesten, die im September 2022 durch den gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini durch die sogenannte Sittenpolizei ausgelöst worden waren. Willinger erklärt in ihren Beiträgen auch immer, wie eng die Grenzen der Berichterstattung für sie sind, wenn sie zum Beispiel zum Schutz ihrer Protagonistinnen oder auch ihrer Team-Mitglieder auf Interviews verzichten muss. Das ist glaubwürdiger, transparenter Journalismus, der verantwortlich mit allen Beteiligten umgeht.

„Hoffentlich ist unser Kampf morgen nicht wieder vergessen“, zitiert Katharina Willinger in einem „Tagesthemen“-Kommentar die Aussage iranischer Frauen anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi im Oktober 2023. Dass dieser Kampf nicht vergessen wird, ist auch Aufgabe deutscher Medien. In Zeiten, in denen am Auslandsjournalismus nicht selten gespart wird und Berichtsgebiete für Korrespondenten größer werden, zeigt Katharina Willinger, wie bedeutend diese Arbeit ist.

 
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