Bekanntgabe der Preisträger*innen

„Wir haben uns verliebt“

Gruppenbild aller anwesenden Preisträger und Jurymitglieder mit Grimme-Institut-Direktorin Dr. Frauke Gerlach und Grimme-Preis-Leiterin Lucia Eskes. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut

Am 3. März 2020 um 11 Uhr waren Vertreter*innen der Presse in Essen eingeladen, um im Grillo-Theater die Preisträger*innen des 56. Grimme-Preises zu erfahren. Moderiert wurde die Konferenz von der Autorin und freien Journalistin Jenni Zylka, die bereits seit vielen Jahren Jurorin des Grimme-Preises ist und auch in diesem Jahr als Mitglied der Jury Information & Kultur an der Preisfindung mitgewirkt hat.

Zu Beginn zogen Institutsleiterin Dr. Frauke Gerlach und Jenni Zylka ein Fazit des vergangenen Preisjahres: Das Preiskontingent wurde ausgeschöpft und die Zahl der eingereichten Produktionen war konstant hoch, allerdings konnten viele Einreichungen die Gremien aufgrund ihrer sehr konventionellen Formatierung und der daraus entstehenden Erwartbarkeit nicht überzeugen. Mit Blick auf die Preisträger*innen des 56. Grimme-Preises ließe sich erkennen, dass diese die Integrationskraft des Fernsehens, Debatten anschlussfähig zu gestalten, auf herausragende Weise genutzt haben, so Frauke Gerlach. „Gutes, aber nicht genug“, fasste Zylka das Preisjahr abschließend zusammen.

Im Anschluss an die Präsentation der ausgezeichneten Produktionen berichteten Vertreter*innen der vier Jurys von der Gremienarbeit und gaben Einblick in die Entscheidungsfindung: Die Juryvorsitzende in der Kategorie Unterhaltung, Senta Krasser, erklärte, inwieweit „Haltung“ sich in der Unterhaltung wiederfand und warum sich in diesem Jahr kleinere Produktionen gegen den großen Abendshows durchgesetzt haben. Mit ihrem Unterhaltungswert, aber auch der überzeugenden und entlarvenden Verhörsituation konnte die Talkshow „Chez Krömer“ die Jury überzeugen. Ziel des Formats sei laut Preisträger Kurt Krömer, Journalismus und Comedy zu vermischen, denn Humor müsse nicht immer lustig sein. „Mir fehlt das Angebot, wir sollten viel mehr Mut beweisen“, forderte er im Hinblick auf das aktuelle Fernsehprogramm.

Es manifestiere sich ein „Fernsehen der zwei Geschwindigkeiten“, berichtete Gudrun Sommer, stellvertretende Juryvorsitzende in der Kategorie Kinder & Jugend. Während im Kinderfernsehen auf etablierte Marken gesetzt würde, wären im Jugendbereich viele experimentierfreudige, neuentwickelte Formate zu finden. „Leider laut“ mit den Moderatoren Marti Fischer und Bürger Lars Dietrich stelle eine Ausnahme im Bereich des Kinderfernsehens dar. „Wir hatten direkt so eine Chemie, wie Brüder die bei der Geburt getrennt worden sind“, erzählte Marti Fischer und verriet, wie die Idee zur Musik-Comedy-Show „Leider laut“ entstand.

Für die Kategorie Information & Kultur stellte die stellvertretende Juryvorsitzende Anne Burgmer fest, dass aktuelle Themen von großer gesellschaftlicher Relevanz wie beispielsweise der Klimawandel oder #metoo im Wettbewerbskontingent unterrepräsentiert seien. So wären die ausgezeichneten Filme als sehr preiswürdig befunden worden, in Hinblick auf die gesamte Bandbreite sei die Jury allerdings enttäuscht gewesen. Für die Besondere Journalistische Leistung wurde Georg Restle (stellv. für die Redaktion von MONITOR) für die kontinuierliche und haltungsstarke Berichterstattung zu Rechtsextremismus und -terrorismus ausgezeichnet. Im Gespräch mit Burgmer und Zylka setzte er sich mit dem Begriff des Haltungsjournalismus auseinander: „Haltung ersetzt keine Faktentreue. Faktentreue und Wahrhaftigkeit stehen vor allem.“

Auch in der Kategorie Fiktion konnten viele Produktionen die Jury nicht überzeugen. Gerade die Neunzigminüter hätten im Vergleich zur Serie an Innovation und politischer Relevanz vermissen lassen. Einzelne Nominierte jedoch haben die Jurymitglieder überrascht: „Wir haben uns verliebt“, erzählte Claudia Tieschky, Juryvorsitzende der Fiktion, über die Sichtung des Episodenfilms „The Love Europe Project“. Ein Vorbild für den Produktionsstandort ist für die Jury-Fiktion die Krimiserie „Der Pass“. Preisträger Franz Hartwig, der den Mörder Georg Ansbach verkörperte, erklärte, dass die Serie stark an Lässigkeit und Kreativität durch die deutsch-österreichische Koproduktion gewonnen habe.

Der Direktor des Deutschen-Volkshochschulverbandes, Ulrich Aengenvoort, gab bekannt, dass Autor und Regisseur Heinrich Breloer für seine herausragende Arbeit als Mitbegründer des Dokudramas die Besondere Ehrung des DVV erhalten wird. „Wir wollen den Zuschauern die Möglichkeit geben, sich selbst eine Meinung zu bilden, und sich in der Welt zurecht zu finden. Wir als DVV fühlen uns Herrn Breloer in besonderer Weise verbunden, weil auch er sein Wissen und seine Sammlung mit der Öffentlichkeit teilen will, wie wir es als Grundsatz haben.“, so Aengenvoort über Breloer. Breloer machte deutlich, wo der Unterschied zwischen suchendem und urteilendem Fernsehen verläuft: „Menschen lassen sich nichts sagen, aber alles erzählen“.

Neben der Bekanntgabe der Preisträger*innen gab es auch Neuigkeiten zur Grimme-Preisverleihung: Moderator Jo Schück wird durch den großen Abend führen. Neben ihm wird die Band Botticelli Baby auf der Bühne im Marler Theater stehen und die Preisverleihung musikalisch begleiten.

 
Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Heinrich Breloer. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Georg Restle. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Franz Hartwig. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Kurt Krömer. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Jenni Zylka führt durch die Pressekonferenz. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Grimme-Institut-Direktorin Dr. Frauke Gerlach. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Senta Krasser (Jury Unterhaltung). Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Kurt Krömer. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Gudrun Sommer (Jury Kinder & Jugend). Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Marti Fischer. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Anne Burgmer (Jury Info & Kultur). Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Georg Restle. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Claudia Tieschky (Jury Fiktion). Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Franz Hartwig. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Ulrich Aengenvoort (Verbandsdirektor DVV). Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Preisträger Heinrich Breloer. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Gruppenbild aller anwesenden Preisträger und Jurymitglieder mit Grimme-Institut-Direktorin Dr. Frauke Gerlach und Grimme-Preis-Leiterin Lucia Eskes. Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut
Foto: Georg Jorczyk / Grimme-Institut